Sunnys Tigermilch


Feb/2021

Die extravaganten blau gefärbten Haare zu einem kleinen Zopf gebunden, steht Claudia Canessa hinter dem Tresen der Sunny Bar und betrachtet die neue Speisekarte. Noch ist es ruhig in der altehrwürdigen Sportbar, dem Treffpunkt für die wagemutigen Cresta-Run-Piloten und andere prominente Besucher.

Schon bald werden die Tische bevölkert sein von Feinschmeckern aus aller Welt, die das Besondere zu schätzen wissen: nämlich die feinen und bunten Kreationen der peruanischen Spitzenköchin. Bis es aber so weit ist, hat Claudia Canessa etwas Zeit für mich: Die junge Frau legt das Menü beiseite, rückt ihre riesige Designerbrille zurecht und lächelt. Das Interview kann beginnen.

Kulinarische Erlebnisse der Spitzenklasse inmitten von unzähligen Bildern, Cresta-Run-Schlitten und Holzturnringen – die Sunny Bar des Kulm Hotels bietet unvergessliche Abende in stilvoller Einrichtung.

Claudia, seit 2016 bist du während der Wintersaison für die kulinarischen Genüsse der Sunny Bar verantwortlich. Was zieht eine sonnenverwöhnte Peruanerin in die verschneite Schweiz?

Claudia Canessa: Also, ich finde ja, dass die Schweiz mit Peru viel gemeinsam hat, zum Beispiel die hohen Berge (lacht). Aber Scherz beiseite: Als ich die Anfrage erhielt, befand ich mich gerade in einer Phase der Neuorientierung. Kurz vorher war ich von London in meine Heimat zurückgekehrt, emotional aber erneut auf dem Sprung in die weite Welt. Ich sehnte mich nach Veränderung, wollte am liebsten wieder nach Europa – und dann kam diese Chance. Meine Chance.

Und die hast du genutzt. Du wurdest sogar vom renommierten Schweizer Magazin Bilanz als „Köchin des Jahres 2018“ ausgezeichnet. Verrat uns dein Erfolgsrezept.

Claudia Canessa: Bei mir dreht sich alles um Aromen, denn damit verbinde ich den Geschmack meiner Kindheit, den Duft meiner Heimat, das Gefühl für meine Kultur … Das ist alles in meinem Kopf abgespeichert – daraus komponiere ich meine Gerichte.

Wenn Claudia Canessa nicht gerade am Herd komponiert, spielt sie mit Leidenschaft auf ihrer elektrischen Geige. Auch wenn sie diese Kunst nach eigenem Bekunden (noch) nicht perfekt beherrscht – und sich ab und zu Nachhilfe bei YouTube holt.

Das hört sich ziemlich abstrakt an. Deine Kollegen und Mitarbeiter bekommen aber ein Rezept von dir, oder?

Claudia Canessa: In der Sunny Bar kochen wir ja zu zweit. Das bedeutet, bevor wir loslegen können, erkläre ich erst einmal, wie ich mir ein Gericht vorstelle – und dann setzen wir es gemeinsam um. Das klingt für viele vielleicht ein wenig verrückt, aber so ist meine Arbeitsweise. Und es funktioniert, wir sind meistens ausgebucht.

Die Grundlagen für diese „freie Küche“ hast du an den verschiedensten Orten erworben – zum Beispiel in deiner Heimat Peru, in Uruguay und in England. Wo konntest du deine Kochkunst am meisten weiterentwickeln?

Claudia Canessa: Für mich war London besonders prägend. Dort habe ich mich persönlich und beruflich sehr verändert und konnte meinen kulinarischen Horizont enorm erweitern. Ich begann dort, mit gegensätzlichen Geschmacksrichtungen zu experimentieren, kombinierte beispielsweise süß mit sauer, scharf mit mild …

Stilvoll die erlesene Zigarrenauswahl in der Miles Davis Smokers‘ Lounge genießen oder Cocktails in der Kulm Country Club Bar probieren. Neben der Sunny Bar bietet das Kulm Hotel viel Raum zum Wohlfühlen und Entspannen.

… und gerade dafür ist deine Küche jetzt bekannt. Ist es eigentlich schwierig, immer wieder neue Variationen zu kreieren?

Claudia Canessa: Natürlich ist das eine Herausforderung, aber ich bin außerhalb der Kochsaison viel unterwegs und schöpfe bei meinen Reisen aus vielfältigen Inspirationsquellen. Ich treffe zum Beispiel befreundete Spitzenköche in aller Welt oder besuche meine Familie in Peru und erforsche dort meine kulinarischen Wurzeln.

… die du aus deiner Heimat importierst?

Claudia Canessa: (lacht) Nein, nicht zwingend. Grundsätzlich bekomme ich in der Schweiz alles, was ich brauche. Sollte mal ein Gewürz partout nicht zu finden sein, ersetze ich es ganz einfach und verleihe dem Charakter der Speise eine neue Nuance.

Was ist denn das Besondere an der peruanischen Küche?

Claudia Canessa: Man verwendet darin traditionell nur frische Zutaten direkt aus der Region: Fisch, Fleisch Gemüse und Früchte. Hinzu kommen die landestypischen Gewürze, allen voran verschiedenste Chili-Sorten …

Perfekt kombinierte regionale Zutaten: Claudia Canessa verwöhnt ihre Gäste mit einem Mix aus peruanischer und internationaler Küche.

Ceviche "El Clasico"

Zutaten

Tigermilch

1 rote Zwiebel, grob gehackt

200 ml Olivenöl

2 Knoblauchzehen, zerdrückt

1 Bund Koriander (nur die Stiele), grob gehackt

1 Aji-Amarillo-Chili (ohne Stiel und Kerne), grob geschnitten

15 Limetten (nur der Saft)

1 Stange Sellerie, grob geschnitten

1 daumengroßes Stück Ingwer, geschält

2 Handvoll Crushed Ice

Salz

 

Ceviche

1 rote Zwiebel, in feinen Streifen

1 Wolfsbarschfilet ohne Haut und Gräten, grob gewürfelt

1 Bund Koriander, fein geschnitten

4 TL Aji-Limo-Chili, fein gehackt

Salz

200 g Orangen-Süßkartoffel-Püree

100 g frittierte Maiskörner „Cancha Chullpi“

Zubereitung

Tigermilch
Olivenöl erhitzen, Zwiebeln und Knoblauch darin dünsten. Wenn die Zwiebel zu karamellisieren beginnt, die Chili und die Korianderstiele zugeben, alles leicht salzen und einige Minuten mitdünsten, bis die Chili weich gegart ist. Die Mischung möglichst fein pürieren.

 

Die Limetten nicht zu stark auspressen, den Saft mit etwas Crushed Ice mischen und kühlstellen. Die Tigermilchbasis in einen Standmixer geben, Ingwer und Sellerie hinzufügen, mit dem Limettensaft und einer Handvoll Crushed Ice auffüllen und fein mixen. Durch ein Spitzsieb passieren, mit Salz abschmecken und kühlstellen.

 

Ceviche
Den Fisch in eine Schale geben, leicht salzen und mit den Zwiebeln mischen, dann Chili und Koriander darübergeben und großzügig mit Tigermilch begießen. Gründlich mischen, etwas Süßkartoffel-Püree dazugeben, die Maiskörner darüberstreuen und sofort servieren.

Apropos Nuancen, du veränderst deine Karte regelmäßig – eine Spezialität bleibt allerdings immer bestehen: die Ceviche. Warum ist das so und was verbirgt sich hinter diesem Gericht?

Claudia Canessa: Das ist meine Leibspeise seit Kindertagen. Nicht nur weil sie mir so gut schmeckt – das natürlich auch –, sondern auch weil ich wegen einer Glutenunverträglichkeit auf viele Lebensmittel verzichten muss, Ceviche aber bedenkenlos essen darf. Und das tat ich als kleines Mädchen in rauen Mengen (lacht). Traditionell wird sie aus rohem geschnittenem Fisch, Zwiebeln, Chilis und Tigermilch zubereitet (Anm. d. Red.: Siehe dazu auch den Rezeptkasten). Die Kunst daran ist es, die verschiedenen Aromen gekonnt zu vermählen: Ceviche schmeckt gleichzeitig sauer, scharf und süß …

… klingt nach einer geschmacklichen Explosion. Das würden wir gern mal probieren.

Claudia Canessa: Na klar.

Sunny Bar by Claudia Canessa

Einzigartig, lecker und ein wenig frech – so präsentiert die peruanische Köchin Claudia Canessa ihre kulinarischen Kreationen in der ältesten Sportbar der Alpen. Ihre Küche ist bekannt für einen Mix aus unterschiedlichsten Kulturen: Traditionelle peruanische Inka-Rezepte werden mit spanischen Einflüssen und asiatischen Elementen kombiniert und sorgen dadurch für unvergessliche Geschmackserlebnisse.

Andere Frage: Was schätzt du an deinem Beruf ganz besonders?

Claudia Canessa: Ich liebe die Freiheit beim Kochen, das Variieren der Zutaten, das Zusammenstellen der Gerichte – wenn es sein muss, in kürzester Zeit.

Wie darf ich mir das vorstellen?

Claudia Canessa: Wir hatten kürzlich eine Gruppe Veganer in der Sunny Bar und da habe ich spontan das komplette Menü für sie geändert. Oder anderes Beispiel: Ein Gast kam zu uns und merkte an, dass er allergisch auf Koriander reagiert. Ich verwende dieses Gewürz in nahezu allen meinen Gerichten, weiß aber auch aus eigener Erfahrung, wie einschränkend eine Unverträglichkeit ist. Also habe ich eine Ceviche ohne Koriander zubereitet.

Macht dich diese Flexibilität zur Spitzenköchin?

Claudia Canessa: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Worauf es meiner Meinung nach wirklich ankommt, sind Respekt und Kommunikation. Es ist nämlich gar nicht so einfach, in einem Restaurant zu arbeiten, denn dort geht es oft hektisch und manchmal rau zu. Gut, wenn man tough ist. Das Wichtigste ist aber, dass man immer auf Augenhöhe miteinander redet.

… gerade, wenn man monatelang auf engstem Raum zusammen kocht. Was machst du eigentlich, wenn die winterliche Arbeitszeit vorüber ist?

Claudia Canessa: Ich bin unterwegs. Letztes Jahr war ich zum Beispiel als Privatköchin auf Ibiza. Das war interessant, denn ich konnte die Menüs frei zusammenstellen und einiges zubereiten, was ich jahrelang nicht mehr gekocht hatte. Es fühlte sich ein bisschen so an wie zu Hause bei meiner Familie.

Das Kulm Hotel in St. Moritz

Mittendrin das Kulm Hotel St. Moritz auf 1.856 Metern über dem Meeresspiegel – mit bester Aussicht auf den St. Moritzersee. Hinter den historischen Mauern des Kulm Hotels erwartet die Gäste eine über 160-jährige Gastgebertradition, moderner Komfort auf 5-Sterne-Superior-Niveau und herzliche Gastfreundschaft – sowie als kulinarisches Schmankerl die berühmte Sunny Bar, deren Besuch von Genießern ausdrücklich empfohlen wird.

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