Mach mir den Affen


Okt/2021

Der Berg ruft und ich folge der Einladung diesmal zum spektakulären Downhill-Biken. Diese noch relativ junge Sportart verbindet Geschick mit dem Kontakt zur Natur – einen ordentlichen Adrenalinkick inklusive. Vor der Action gehören allerdings die Einkleidung und eine professionelle Bike-Einführung zur „Lebensversicherung“ dazu …

Nein, ich habe keine Wette verloren, sondern bin tatsächlich freiwillig nach Sölden in die „Bike Republic“ gefahren. Das Mega-Downhill-Paradies gilt als das Mekka für die positiv verrückten Zweiradfreunde. Vor meinem Lieblingshotel, „Das Central“ in Sölden, treffe ich mich mit meinem Guide Roland. Als Inhaber eines eigenen Bike-Parks wird er die Aufgabe übernehmen, mich vor dem Downhill in einem halbtägigen Workshop fit für die Challenge zu machen. Zu diesem Fahrtechniktraining gehören richtiges Bremsen, Pedalstellung und die Haltung auf dem Rad. Sein Lieblingsspruch „Mach mir den Affen“ könnte dabei für zweierlei Dinge stehen. Ich gehe aber davon aus, er meint ausschließlich die spezielle Haltung des Oberkörpers über dem Lenker mit nach außen abgespreizten Ellenbogen. Zum gefühlvollen Einlenken in den Kurven absolut notwendig, wie ich später noch schmerzhaft erfahren werde. Weiter lerne ich, dass die beiden Zeigefinger zum Betätigen der Bremsen absolut ausreichen. Nur so kann ein gefühlvolles Stoppen im Verhältnis von 80 Prozent mit der Vorderbremse beziehungsweise 20 Prozent am Hinterrad erzielt werden. Ansonsten droht beim Downhill schnell mal ein Salto über den Lenker hinweg. Es braucht tatsächlich ein wenig Übung, bis ich die Fingerfertigkeit ohne viel nachzudenken umsetzen kann.

Neben der Technik ist beim Downhill die Ausrüstung elementar. Angefangen beim richtigen Bike: Wer kein eigenes besitzt, sollte sich unbedingt vorab professionell beraten lassen. Downhill- oder Enduro-Fahrweise, elektrische Unterstützung oder klassisch mit eigener Kraft. Die Anforderung bestimmt das passende Bike. Des Weiteren ist unbedingt darauf zu achten, einen Schutz für Oberkörper, Schulter und Ellenbogen anzulegen. Auch für die Schienbeine und Knie sollte entsprechender Schutz getragen werden. Gut ist auch eine wetterfeste Kombi und natürlich, stets aufgesetzt, der passende Helm.

Kein Meister ohne Übung: Erste Runden im Parcours zwecks Gefühl für die richtige Fahrtechnik.

Das alpine Gebiet mit der aussagekräftigen Bezeichnung „Bike Republic“ bietet insgesamt über 250 Kilometer Long Lines und Trails unterschiedlicher Herausforderungen. Wie es sich für eine ordentliche Republik gehört, bekommt jeder Biker einen Reisepass, in dem die gefahrenen Strecken abgestempelt werden. Meinen ersten Stempel hole ich mir vor dem noch einfachen Testlauf ab. Wobei mir hier schon auf den ersten Metern klar wird, dass „einfach“ heute Vormittag unterschiedlich definiert wird. Immer wieder stoppe ich meinen Lauf vor den Kurven und finde schnell heraus, dass Rechtskurven mir so gar nicht liegen. Trotz einiger „Absteiger“ komme ich ins Tal und bin nun bestens vorbereitet für die große Abfahrt. Dafür geht es jetzt mit der Gondel der Giggijochbahn hinauf auf 2.284 Meter. Neben dem etwas kräftigeren Wind hier oben fängt es jetzt noch an zu regnen. Man kann es auch positiv sehen, dafür ist jetzt weniger auf der Piste los und das soll mir als Anfänger grad recht sein. Nach unten führen von hier aus verschiedene Strecken. Farblich, je nach Schwierigkeitsgrad wie beim Skifahren, in Blau, Rot und Schwarz markiert. Für mich ist heute die HARBE LINE vorgesehen. Der blaue Trail führt mit 1.300 Tiefenmetern über Hochsölden und Grünwald hinab ins Tal. Beschrieben wird die Strecke als eher einfach, aber dennoch verspielt. Der Trail ist meistens breit angelegt und enthält viele Steilkurven.

Wer Lust hat, kann es hier richtig laufen lassen bei 8 % Gefälle! Genau meine Disziplin – Ironie aus! Es klappt aber tatsächlich recht gut und Roland spricht mir beim ersten Stopp nach rund 500 Metern ein dickes Lob aus. Hätte er vielleicht lieber sein lassen. Mit dieser Anerkennung vor Augen fängt mein Kopfkino an zu laufen und ich sehe mich schon an Meisterschaften teilnehmen. Aber wie heißt es so schön: Hochmut kommt vor dem Fall! Und tatsächlich lege ich gleich an der nächsten Kehre, natürlich Rechtskurve, einen ordentlichen Stunt hin. Glück im Unglück knalle ich auf einen Steinhaufen am Berg. Die Alternative wäre links der Abhang nach unten gewesen. Dann hätte ich neben Prellung und Hautabschürfungen mit Sicherheit weitere körperliche Beeinträchtigungen davongetragen. Das Beispiel zeigt deutlich, dass es sich beim Downhill doch um eine ordentliche Challenge handelt. Wichtigste Erkenntnis für mich: mit dem Kopf zu jedem Zeitpunkt auf die Strecke konzentrieren. Mit diesem Bewusstsein schaffe ich es, den restlichen Tag ohne größere Stürze auszukommen. Auch ohne unfreiwilliges Absteigen vom Bike sehe ich am Ende des Tages aus als hätte ich ein Schlammbad genommen. Wobei der Matsch an der Kleidung beim Downhill wirkt wie der Orden beim Soldaten – eine visuelle Auszeichnung. In meinem Fall für Tapferkeit am Berg. Der schlammige Beweis wird allerdings gleich unten im Tal in einer der komfortablen stationären Bike-Duschen abgespült. Perfekte Infrastruktur in der Biker Republic!

Hotel:
www.central-soelden.com

Guide/Bikeschule:
www.rideon-soelden.com

Bike Republic Sölden:
www.bikerepublic.soelden.com

Ötztal Tourismus:
www.soelden.com

Bikeausrüstung:
www.glanzer.at

Als Belohnung geht es direkt weiter in den SPA-Bereich des „Central“. Das Hideaway punktet ja nicht nur mit seinem alpinen Charme und luxuriösen Flair, sondern bietet auch einen 1.500 m² großen Wellnessbereich auf drei Etagen. Genau das Richtige nach der herausfordernden Biker-Tour. Einzige Challenge hier: Ich kann mich nicht entscheiden zwischen den zehn verschieden Saunen und Dampfbädern. In Anspielung auf meinen Sturz in den Felsen entscheide ich mich letztendlich für die heißen Steine und schließe damit den Kreis meiner neu gemachten Erfahrung mit dem harten Material. Ein letzter Blick aus dem Panorama-Wintergarten in die Ötztaler Bergwelt und die Gewissheit, dem nächsten Lockruf garantiert wieder nachzugeben.

Text:
Markus R. Groß

Bilder:
Ötztal Tourismus
Das Central
Redaktion

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