Farbwelt


Jun/2022

Ich blicke nach vorne und sehe das türkisblaue Meer in der Sonne glitzern. Drehe ich mich einmal um 180 Grad, schaue ich in die Stille der Wüste. Eingebettet ist diese besondere Konstellation in den rund 7.000 Hektar großen Nationalpark Wadi El Gemal, das „Tal der Kamele“. Ein Paradies für den reisenden Naturfreund.

Wasserfarben

Nach dem rund fünfstündigen Flug von Deutschland mit Zielflughafen Marsa Alam ist das erste Verlangen das nach einer Abkühlung im Roten Meer. Der Wunsch kann erfüllt werden. Ausgerüstet mit Flossen, Taucherbrille und Schnorchel geht es mit einem Boot hinaus in Richtung einer vorgelagerten Lagune.

Unser Kapitän Mohammed verspricht Delfine satt. Etwas skeptisch gegenüber dem vollmundigen Versprechen gucken alle Mitfahrer auf das Wasser und genießen das Schaukeln auf den hohen Wellen. In Blickweite zeigen sich kleine Mangroveninseln und auch der Wellengang nimmt hier deutlich ab. Wie auf Bestellung tauchen tatsächlich Delfine neben unserem Boot auf. Es müssen geschätzt über 70 sein. Die schnellen Moves und das elegante Gleiten wirken wie eine inszenierte Aquaballettaufführung. Laut Mohammed entspannen die Tiere tagsüber in der Lagune, bevor sie am Abend auf Futtersuche gehen. Für uns die Chance, mit den Delfinen um die Wette zu schwimmen. Immer wieder spürt man dabei im Wasser die Schwingungen, wenn die Tiere pfeilschnell an einem vorbeiziehen.

Die anfängliche Befürchtung, es könnte zu einer Karambolage kommen, wird uns schnell genommen. Für die Delfine sind wir nur langsame Hindernisse und keine wirklichen Schwimmer. Mittendrin hört man immer wieder mal die typischen Rufzeichen der Tiere, als würden sie sich über die zappelnden Taucher lustig machen. Irgendwann haben die Delfine allerdings genug vom Spielen und ziehen weiter. Zeit für uns, ein weiteres, in dem Fall farbliches Highlight zu entdecken. Korallenriffe, die tief in den Tuschkasten gegriffen haben und dem Taucherauge eine Farbexplosion bieten. Zwischendrin knallrote Zackenbarsche, blaue Papageifische und silbrig schimmernde Makrelen – auch das ein ganz besonderes Arrangement des Roten Meeres.

Mit diesen bunten Bildern im Kopf geht es zurück, und schon ist das nächste Highlight auf dieser Reise zum Greifen nah.

Erdfarben

Früh aufstehen ist angesagt, wenn es in die Wüste geht. Den größten Teil des Naturreservats Wadi El Gemal macht diese trockene Umgebung aus. Mit dem Offroader geht es vom Hotel direkt hinein ins Abenteuer Wüste. Die Wege gleichen unbefestigten Pisten und der Besucher verliert sehr schnell die Orientierung. Nur die umliegenden trockenen Felsformationen in strahlendem Wüstengelbbraun zeigen an, dass wir die Richtung gewechselt haben. Unser Fahrer Ahmed ist Teil des Beduinenstammes der Ababda-Nomaden, die als Uhreinwohner seit Jahrhunderten in diesem Teil der Wüste leben. Wadi El Gemal ist sozusagen sein persönlicher Kiez. Unser erster Weg führt uns unter einen der wenigen Akazienbäume weit und breit. Hier im Schatten bereitet Ahmed für uns den landestypischen würzigen Kaffee der Beduinen frisch zu. Über dem offenen Feuer röstet er zuerst die Bohnen, zerstampft sie dann mit dem Mörser und mischt schließlich Kardamom und Ingwer darunter.

Anschließend wird die gefüllte Kanne ins Feuer gestellt – ein Ritual, das seinen Ursprung in der Zeit der früheren Karawanen hat. Um dem Unbekannten, der einem in der Abgeschiedenheit begegnet, seine guten Absichten zu signalisieren, lud man ihn zum „Kaffeeklatsch“ ein. Ein zweiter Grund war der Austausch von Informationen – in dieser einsamen Gegend ohne WLAN ein wichtiger Punkt. Typisch für Akazienbäume ist die perfekt rasierte Unterkante. Dank der hungrigen Kamele sind die Lebensspender auf den Zentimeter genau in der Höhe abgefressen. Neben der Wüstenflora und -fauna gibt es auch noch Weiteres im heißen Sand zu entdecken, unter anderem steinerne Spuren der alten Ägypter und natürlich der Römer. Sogar in diese entfernte Ecke der Welt hat es sie aufgrund ihres Hungers nach Handel getrieben. Das römische Imperium besaß hier einen vorgelagerten Handelsplatz zum Warenumschlag auf die Karawanen, die vom Indischen Ozean zum Nil und dann weiter nach Europa unterwegs waren, im Gepäck den Reichtum ferner Länder.

Ein abendliches Spektakel in der Abgeschiedenheit der Wüste findet in der Horizontalen statt: Auf dem Rücken liegend lässt sich hoch oben am Firmament eine ganz andere Welt entdecken. Angeführt von Kassiopeia erzählen die Sterne ihre eigene Geschichte. Diese überlieferten Sagen stammen noch aus der Zeit, als die Menschen verstärkt an Mythologie glaubten und sich gegenseitig die Liebesgeschichten aus dem Himmelszelt erzählten. Ohne die Lichtverschmutzung, die uns in der Zivilisation oft von dem Leuchten der Sterne ablenkt, können auch wir die Himmelskörper deuten und die Geschichten lesen. Naturkino!

Farbschützer

Jedes Abenteuer braucht ein Basislager. Unseres heißt Gorgonia Beach Resort. Direkt am Naturpark gelegen, bietet es einen passenden, rund 30 Hektar großen Rückzugsort, um das Erlebte entspannt zu verarbeiten und Impulse für neue Ausflugsmöglichkeiten zu bekommen.

Im Gespräch macht uns Johannes Girardi, der die italienischen Eigentümer des Resorts vertritt, deutlich, dass das Gorgonia nicht nur Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt, sondern auch einen verstärkten Fokus auf den nachhaltigen Tourismus sowie das persönliche Umweltbewusstsein richtet. Das Thema Müll ist Johannes dabei eine besondere Herzensangelegenheit. In der Lobby steht unter anderem provokant eine Säule mit gesammeltem Müll. Etwas ungewöhnlich, aber nur so kann er immer wieder auf das Thema Naturschutz aufmerksam machen. „Das Bewusstsein, seinen Abfall richtig zu entsorgen, ist tatsächlich ein größeres Problem in diesem Land“, so der Südtiroler. „Aber ich bin es nicht leid, in Gesprächen immer wieder darauf hinzuweisen und vor allem auch unser Haus dahingehend weiterzuentwickeln.“ So nah am einzigartigen Naturpark wünschen wir diesem Überzeugungstäter alles Gute, um aus Meer, Wüste und Nachhaltigkeit die perfekte Symbiose für den Natururlauber zu schaffen.

Anreise
Flughafen Marsa Alam


Unterkunft

www.gorgoniabeach.com


Reiseführer

www.baedeker.com
www.marcopolo.de

Text:
Markus R. Groß

Bildmaterial:
Markus R. Groß
Gorgonia Beach Resort

Videomaterial:
Gorgonia Beach Resort

Registriere dich für den Newsletter und bleib so auf dem Laufenden über neue Beiträge, exklusive Features und mehr!